Mutwerkstätten?!


Schulende Bereiche als Begegnungsstätte der Vielfalt und Vielseitigkeit

- Angerissen! -

Bob Blume hat Schuld, jawohl ;). Er hat auf Mastodon eine #Blogparade zum Thema #stoffwechseljetzt initiiert. Jetzt hab ich den Salat, grins.


"Wie ist das Verhältnis zwischen Unterrichtsstoff und Kompetenzen?"

Obige Frage habe ich mir aus den Vorschlägen in Bob Blumes Blogeintrag zu #stoffwechseljetzt herausgegriffen.

Ich erinnere mich vage an meinen Schulstart, der mit viel Aufregung und auch Schiss in der Büchs verbunden gewesen ist. Aber ein Lehrer ist mir aus dem ersten Halbjahr der 1. Klasse stark in Erinnerung geblieben.
Warum?
Ich fühlte mich von ihm gesehen. Er hatte meine Fähigkeit, etwas akurat ausmalen zu können, wahrgenommen und mich gelobt. Ich hatte Spaß an seinem Unterricht. Aus heutiger Sicht betrachtet, fühlte ich mich ermutigt.
In ähnlicher Form begenete mir ein solches Erlebnis auch auf dem Gymnasium. Obwohl ich derzeit meine Probleme mit dem Fach Mathe hatte, mochte ich die Lehrerin sehr gerne. Sie war zwar streng, aber fair, authentisch, hatte Humor und immer irgendwie ein Lächeln in der Mundecke.
Eine Vertretungslehrerin war so dermaßen ermutigend, dass ich wieder Spaß an dem Deutschunterricht hatte und wirklich dachte, ich käme mit meiner Note in den 3er Bereich, bis die eigentliche Lehrerin zurück war.

Warum führe ich diese Beispiele auf?
Kompetenzen!

Ein weißer Rucksack mit rotem Rand. Außen sind viele Worte drauf geschrieben: Kreativität, Mut, Neugier, Ideenreichtum, Individualität, Normen, Werte, Wille, Stärken, Fähigkeiten, Denkfähigkeit, Emotionen, Wissen, Authentizität, Humor, Empathie, Erinnerungen.

So ähnlich stelle ich mir den Rucksack einer Lehrkraft vor, wobei nicht alles zu sehen ist! Egal ob es sich um eine Leitungskraft, eine erfahrene oder frisch in den Berufsalltag eingestiegene Lehrkraft handelt:
Jeder Rucksack ist unterschiedlich!
Dazu noch der Mensch an sich.

Auf zu den Kindern :)
Ich kann mich noch gut daran erinnern, mit welcher Aufregung die schulpflichtigen Kindergartenkinder zur ersten Hospitationsstunde in die Grundschule gingen, mit welchem Stolz sie das “Ich komm in die Schule” vor sich hertrugen. Sie gingen mit Vorfreude (die natürlich mit einer ebensolchen Erwartungshaltung kombiniert gewesen ist) und Neugier zum Einschulungstag.
Alle hatten am 1. Schultag ihren Rucksack dabei. Neben den ganzen Schulsachen noch vieles anderes :)

Ein weißer Rucksack mit rotem Rand. Außen sind viele Worte drauf geschrieben: Mut, Individualität, Stärken, Werte, Neugier, Kreativität, Normen, Denkfähigkeit, Ideenreichtum, Wille, etwas Wissen, Fähigkeiten, Emotionen, Erinnerungen.

Stellen Sie sich nun folgendes Bild vor:
Lehrkräfte und Kinder treffen sich alle in der jeweiligen Klasse und öffnen ihre Rucksäcke!



Explosionsgefahr!
BOOM!
Möglichkeiten!
Chancen!
Ideen!
Grenzen!
Überforderung!
Überflutung!



Mist :D Eigentlich wollte ich nun gedanklich ganz woanders lang, z.B. über Potentiale und Kompetenzen schreiben, und merke gerade, dass die Aufzählung insgesamt sehr wohl der Realität entspricht.

Denn jährlich (täglich) grüßt das Murmeltier oder auch
Same procedure as every year (Diner for one)

Aus meinen beruflichen Erfahrungen als Erzieherin kenne ich das!
Jedes neue Kindergartenjahr = neue Kinder, neue Eltern, neue Gruppen, neue Erwachsene, neue Rucksäcke. Wobei in den Kindergärten (nehme ich nun mal als Überbegriff) der Übergang noch weicher gestaltet werden kann, als in den Schulen.
Allerdings bin ich mir sicher, dass keine Lehrkraft eine Same procedure as every year möchte.

Ich setzte einfach mal voraus, dass viele Lehrkräfte mit Enthusiasmus in den Berufsalltag starten, den Unterricht anders oder auch neu gestalten wollen und voller Ideen sind, wie sie den Unterrichtsstoff an die Kinder weitergeben oder mit diesen gemeinsam erarbeiten wollen.

Ich sehe gedanklich vor mir und lese auch davon, wie sie noch nach dem Unterricht am Schreibtisch sitzen:

  • Unterrichtsmaterialien zusammenstellen
  • Ideen zur Umsetzungen gestalten
  • unterstützende Videos für den Unterricht erstellen
  • helfende Tutorials für die Lernenden entwickeln
  • Klausuren vorbereiten oder korrigieren
  • über Noten sitzen
  • Dokumentationen ausfüllen
  • und so weiter … und so weiter …

… und an ihre Grenzen kommen!

Zu große Klassen, zu wenig Lehrkräfte – insbesondere an den Brennpunktschulen, zu viele Begrenzungen, zu viel Unflexibilität im vorgegebenen schulischen Rahmen, der wiederum durch Regelungen, beziehungsweise durch Gesetze, bestimmt wird.

Die Erinnerung an einen früheren Musiklehrer bereitet mir zwar immer wieder gerne einen Lacher (Sein Unterricht war soo langweilig und eintönig, dass ich einen Rauswurf aus dem Unterricht provozierte und auch bekam) und andererseits denk ich gerade beim Schreiben dieses Textes anders darüber.
Vielleicht war auch er anfangs mit viel Freude und Spaß an seinem Beruf gestartet, ist aber auf Grund der gesetzlichen Rahmenbedingungen in einer Berufsmüdigkeit gelandet.

Dabei ist es so vielen Lehrkräften wichtig, alle Lernenden zu sehen, sie als Individuum wahrzunehmen, sie mit einzubeziehen, ihre Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern, jeden nach seinen Möglichkeiten teilhaben zu lassen …
Viele finden Möglichkeiten, ihre Ideen in den Unterricht zu integrieren, die Lernenden “abzuholen”, und engagieren sich über ihre eigenen Grenzen hinaus.
Man könnte nun fragen, warum machen das dann nicht alle?
Man könnte aber ebenso fragen, warum macht es das Schulsystem, die Rahmenrichtlinien, die gesetzlichen Vorgaben, es vielen Lehrenden so schwer, es einfacher zu haben!

Kurz das Thema Digitalisierung:
Ich höre schon den Aufschrei und lese oft darüber, dass sich über folgendes aufgeregt wird:
Schulen bekommen zig Laptops, aber sie liegen ungenutzt im Schrank.
JA! Verdammt, WARUM!

Trotzdem ist die Antwort auf das WARUM! eigentlich recht einfach:
Viele Schulen haben kein Wlan oder der Datentransfer ist zu gering.
Die Laptops (Pads, was auch immer) sind mit vorinstallierten Programmen versehen und werden gefälligst auch nur in diesem und in keinem anderen Rahmen benutzt!
Lehrkräfte wollen andere, flexiblere, datengeschütztere … Programme? Ne, is nich!
Lehrkräft wollen die Laptops mit nach Hause nehmen, um an einer Sache zu Hause weiter zu arbeiten? Ne, is nich! (Meine ich so gelesen zu haben)
Hinzu kommt der Aspekt, der Lernmittelfreiheit. Viele Familien können sich ditigalte Geräte für den Unterricht nicht leisten, und nicht jede Schule ist in der Lage, das zu finanzieren. Zudem steht das Thema Lernmittelfreiheit wieder bezüglich etwaiger Kürzungen in der Diskussion. (Falls ich falsch liege, gerne korrigieren.)
Tja, da bleiben die Dinger in der Schule halt oft liegen und feddich is.
Und ja, es gibt sicher auch Lehrende, die mit dem digitalen Fortschritt nicht zurecht kommen.

Wie es nun den Lernenden mit all dem geht oder gehen mag?
Kinder, Jugendliche, die sich ausgeschlossen fühlen, fehlende Mittel, Überforderung und VIELES mehr, ist nochmal ein Kapitel für sich, darum lasse ich es dieser Stelle außen vor, obwohl es so wichtig ist. Es wird sonst einfach zu lang hier ;) Die Eltern, ebenfalls eine Rolle spielend, lasse ich thematisch gerade auch nicht zu Wort kommen.

Es gibt Schulen, in denen es sogenannte Lernräume gibt, sowie Lernecken oder Ruhezonen, wo vielleicht auch die zur Verfügung stehenden Mittel einen ganz anderen Umfang haben. Nein das ist nicht so ganz meine Idee! Ich habe ähnliches in einem Film gesehen und finde es nun schlichtweg nicht wieder :)

Das könnte es z.B. ab der 5. Klasse in derselben Schule bedeuten:
“Hallo Emilie. Dies ist die Liste mit dem Lernstoff für alle Fächer im nächsten Halbjahr. Es gibt auch eine weitere Aufteilung in kleinere Lernbereiche. Ein bischen hast du das ja schon kennen gelernt und weißt ja, dass es für jedes Fach einen Raum gibt, nicht wahr :). Schau dir an, womit du anfangen möchtest. Lass dir dort nochmal alles genau erklären.”

Emilie hätte nun die Möglichkeit der Wahl, mit welchem Fach sie beginnen möchte. Nach jeder bewältigten Lernetappe könnte sie im jeweiligen Raum z.B. in einer Liste eintragen, was sie geschafft hat. Sie würde über eine eigene Lernkontrolle verfügen und die Lehrkraft ebenfalls.

Möglichkeiten:

  • Offeneres Lernen, Entzerrung und Ent - Spannung
  • mehr eigenes Potential entfalten
  • mehr Kompetenzen zulassen
  • Selbstverantwortung lernen
  • die Wahl haben, Entscheidungen treffen
  • Freiräume, Motivation entwickeln
  • Klassenübergreifendes Arbeiten
  • und so vieles mehr
  • …bezogen auf Lehrende und Lernende!

… da bekommt das Thema Unterrichtsstoff in Kombination mit Kompetenz nochmal einen ganz anderen Blickwinkel.

Fazit: Es braucht eine Erneuerung des Schulsystems (was keine neue Forderung ist), eine Erneuerung der Gesetzegebung für Bildungseinrichtungen, einen veränderten Blick der Gesetzgebenden auf ihr eigenes Potential und eigene Kompetenzen, damit Schulen eine Begegnungsstätte der Vielfalt und Vielseitigkeit für Lehrende und Lernende werden können – Mutwerkstätten für das spätere Leben!


Zum Abschluss noch eine kleine Erkenntnis am Rande, über die ich gerade lachen muss :D
Im Grunde hat Bob Blume mit uns, die wir an der Blogparade teilnehmen, das gleiche gemacht, wie mit seinen Schülerinnen und Schülern:
Er hat uns herausgefordert, eigenständig zu denken, zu schauen, was dabei entsteht und zu zeigen, was wir können.
Partizipation, Teilhabe – wir sind als denkende, kreative Individuen und gleichzeitig als Teil einer Gemeinschaft wahrgenommen zu worden, deren Texte später in einem Blog zusammen gefasst werden.

Ich finde es toll, als Individuum Teil einer Gemeinschaft zu sein :)

Jap, es ist ein langer Text geworden und hat doch zugleich Themen nur angerissen und vieles ausgelassen.

Danke für´s Lesen
Moni


Bilder:
Moni: Rucksäcke
Von Pixabay:
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