Spektrum

Junge Frauen und junge Männer

Ich habe gerade mal nachgeguckt. Es war tatsächlich Castrop Bladenhorst. Direkt neben der A42. Die Disco „Spektrum“. Unsere Clique konnte dort nur immer am Freitag hin, denn dann war Heavy Night (keine Ahnung, ob das wirklich so hieß). Alles Langhaarige aus Castrop, Mengende und auch Westerfilde, fand sich zum Bier und Headbangen dort ein. So auch ich mit meinem besten Freund Heiko. Wir waren schon ein Gespann. Er lange blonde Haare, Lederjacke, ich mit langen schwarzen Haaren (schwer wellig) und Lederjacke. Uns sind dort einige Dinge passiert, die ich vielleicht hin und wieder aufschreiben werde. Hier also ein Abend im Leben zweier Möchtegern-Verführer.

Es war wieder Freitag und wir fuhren mit Freunden zum Spektrum. Die Disco lag von uns aus einfach perfekt zu erreichen an der A42. In Dortmund Bodelschwingh auf die Bahn, in Bladenhorst runter und zack, Bier, Musik und Mädchen waren in erreichbarer Nähe. Na ja, zumindest die ersten beiden Dinge. Bei den Mädchen hat es nicht immer so geklappt. Aber vielleicht sollte es an diesem anders werden. Schon früh trafen wir auf zwei zauberhafte Geschöpfe, die auch tatsächlich mit uns redeten. Also, wenn wir nicht die Luftgitarren über die Tanzfläche wirbelten. Zu unserer beiden Verzückung machten die Mädchen da keine Ausnahme und gaben alles. Wir bangten mit den Luftgitarren schwitzend gemeinsam durch die Disco und alles war wundervoll. Zwischendurch immer wieder Bierpausen und nette Gespräche über Konzerte und Bands, die wir mochten.

Es war ein wirklich toller Abend und mein Freund signalisierte mir irgendwann, dass er Hoffnung habe, dass es heute „klappen könnte“. Ich zwinkerte verständig zurück und teilte seine Hoffnung. Gegen zwei Uhr in der Nacht meinten die Mädchen, dass sie nun genug hatten und nach Hause wollten. Keine Ahnung ob unsere Gesichtszüge standhaft waren, als sie uns fragten ob wir mit ihnen kommen wollten. Vermutlich konnte man das „Pling“ in unseren Augen sehen. Aber wir waren jung und wollten was erleben. Natürlich gingen wir mit.

Es war ein unfassbar langer Fußmarsch. Damals fuhren halt keine Busse um diese Uhrzeit in Castrop. Nach mehr als einer Stunde quer durch die Stadt, wir Jungs hatten sämtliche Orientierung bereits verloren, standen wir vor einem Hochhaus. „Wir sind da“, sagte eines der Mädchen. Sie öffneten die Tür und wir gingen gemeinsam in den Fahrstuhl. Unsere Erregung und Anspannung war förmlich zu greifen, die Luft roch nach Lust und Sex. Also, so kam es uns männlichen Teilen der Gesellschaft im Fahrstuhl vor. Komischerweise fuhr der Fahrstuhl bis ganz nach oben. Wir stiegen aus und sahen uns fragend an. Die Mädchen erklärten dann, dass wir noch eine Treppe höher gehen und dort warten sollten. Das war praktisch unter dem Dach, am Eingang zum Serviceraum für den Fahrstuhltechniker. Sie wollten erst gucken, ob ihre Eltern schon schliefen und uns dann holen. Ja, ich muss es so sagen, dumm und unerfahren wie wir waren, sagten wir artig ja und stiegen in freudiger Erwartung die Treppe hoch. Wir warteten.

Wir warteten lange. So gegen vier Uhr in der Frühe sahen wir ein, dass wir vermutlich dort oben bleiben müssen und kein warmes Bett auf uns wartete. Die Mädels hatten zwei Typen gefunden, die harmlos genug waren, aber gefährlich genug aussahen, um sie sicher nach Hause zu bringen. Nun gut, damit konnte ich leben, aber Hölle, es war kalt da oben! Wir versuchten irgendwie zu schlafen. Auf dem harten, kalten Boden eines Hochhauses, ganz oben unter dem Dach. Das war nichts was wir wollten, aber es gab keine andere Möglichkeit. Draußen war es dunkel und wir hatten keine Ahnung wo wir waren. In Castrop, ja, aber wo? Dann fiel uns auf, dass wir nicht mal wussten wie die Mädchen mit Nachnamen hießen. Wir konnten also am Morgen nicht bei Ihnen anklingeln und fragen, wo eine Bushaltestelle zu finden sei.

Um sieben Uhr am Samstagmorgen machten wir uns leicht unterkühlt, aber wieder einigermaßen nüchtern, auf den Weg einen Bus in Richtung Heimat zu finden. Das war alles andere als leicht. Erst fanden wir keine Haltestelle. Vermutlich sind wir in all unserer Dämlichkeit daran vorbei gelaufen. Ich fühlte mich verschollen in Castrop und wollte nur noch nach Hause, in mein Bett und schlafen. Irgendwie stolperten wir dann in der Innenstadt zum Busbahnhof und fanden eine Linie, die schon mal die richtige Richtung fuhr. Es war Samstag in den 80ern, die Verbindungen waren also eher schmal besetzt. Hinzu kam, dass wir schlicht pleite waren. Keinen einzigen Pfennig hatten wir noch dabei. Also setzten wir uns in den ersten Bus, der irgendwie in die richtige Richtung fuhr und hofften, dass die Kontrolleure am Samstag länger schliefen.

Was wir daraus gelernt haben? Dass Mädchen immer einen Schritt weiter denken als wir Jungs. Immer. Verinnerlicht das und hört zu was sie sagen. Wir haben die beiden schlauen Mädels nie wieder gesehen. Auch nicht im Spektrum. Aber vielleicht hat unser junger Ego sie damals auch einfach ausgeblendet. Wer weiß das schon. Und wer hätte gedacht, dass man in Castrop das Gefühl von Verlorenheit entwickeln kann? Das ist ja keine Großstadt. So long und danke für den Fisch.