Andere Zeiten

Jeden Tag - 2

Mitte der 80er im letzten Jahrtausend (wie sich das liest!) schwappten Computer in unsere Zimmer. Bei mir fing es mit dem C64 und einer Datasette an. Die Datasette war im Grunde eine Art Kassettenrekorder für Daten. Sie machte Geräusche, die mit dem Aufbau einer Fax-Verbindung zu vergleichen sind. Da ich später auch einen Amiga hatte, weiß ich gar nicht mehr so genau, welche Spiele auf dem 64er und welche auf dem Amiga gezockt wurden. Beim C64 weiß ich aber noch ganz genau, dass ich aus einer PC-Zeitschrift den Code (Basic) für einen Sprite abtippte. Das war ein Heißluftballon, der über den Bildschirm flog. Ich glaube, wir hatten damals einfach zu viel Zeit…



Es gab Tage, da saßen wir stundenlang vor den Geräten und spielten Decathlon. Das weiß ich noch wie heute. Dabei sind diverse Joysticks zu Bruch gegangen. Das Spiel erforderte es, durch schnelles und getaktetes Hin- und Herbewegen des Steuerknüppels entsprechende Power für die geforderten Aktionen aufzubauen. Und dann musste man noch den Knopf im richtigen Augenblick drücken, um z.B. den perfekten Absprungmoment zu erwischen. Einer der Wettkämpfer sah aus wie Jürgen Hingsen und das hat uns enorm angespornt damals.



Manchmal gab es einen Einwurf der Eltern, wenn sie der Meinung waren, jetzt wäre es aber lange genug. Also, so nach 4 Tagen. Wenn ich da heute drüber nachdenke, bin ich mir ziemlich sicher, dass zumindest meine Eltern froh waren, dass ich mich in einem von ihnen kontrollierten Bereich aufhielt. Und eben nicht draußen mit den Freund:Innen wieder nur Unsinn verzapfte. Das machten wir zwar immer noch genug, aber eben nicht, wenn wir drinnen an den Geräten saßen und zockten oder halbe Ewigkeiten mit dem Kopieren von Programmen verbrachten.



Heute reagiere ich oftmals verwundert, wie Eltern mit ihren Kindern hinsichtlich Computer, Smartphone und Internet umgehen. Viele die in meinem Alter sind, oder auch jünger, sind doch schon mit den Geräten aufgewachsen. Doch stelle ich immer wieder fest, dass die, die dafür plädieren die Nutzungszeiten zu reglementieren, genau die sind, die sich eben nicht damit auskennen. Diese Eltern sind gar nicht in der Lage ihren Kindern den Umgang damit nahezubringen. Die wissen nichts von Datenschutz, Privatsphäre und Medienkompetenz. Ihr einziges Mittel in der vermutlich erkannten Hilflosigkeit ist dann der Versuch, die Zeit zu begrenzen, in der etwas schief gehen könnte.



Da fehlt mir wirklich das Grundwissen bei den Menschen. Ich kann von uns behaupten, dass wir solche Maßnahmen nicht ernsthaft in Betracht gezogen haben. Wir haben darüber gesprochen und uns für den Weg des Vertrauens und des Lernens entschieden. Entgegen allen Unkenrufen hat das geklappt. Natürlich. Wir hatten auch nie so etwas wie eine abgeschlossene Schublade mit Süßkram. Das lag immer alles offen für jeden herum. Genauso wie Obst. Kinder sehen was wir machen und was wir nicht tun. Sie ahmen erst nach, später tasten sie sich an die Grenzen heran und noch später reflektieren sie das Erlernte an ihren Erfahrungen. Dabei treffen sie dann eigene Entscheidungen, die sich aus all dem vorher ergeben. Und wir akzeptieren das. Wir wollen doch selbstständig denkende und mutige Menschen haben, die nicht an sich zweifeln, weil ihnen immer alles aus Gründen der Vorsicht reglementiert wurde. Auch für uns Erwachsene ist das etwas, an dem wir reifen. Denn wir müssen lernen die Entscheidungen zu akzeptieren und unseren Schutzreflex zu bremsen.



Also, grenzt nicht ein, eröffnet Optionen, zeigt Gefahren auf und akzeptiert Entscheidungen. Es sind andere Zeiten, aber die Aufgaben sind die selben.